Deutschsprachige Literatur in Brünn – ein Workshop der Klasse 6A
Am Freitag, den 5. April 2019 führte die Klasse 6A von 10 bis 13.00 Uhr einen Workshop über deutschsprachige Literatur in Brünn durch, als Fachwissenschaftler war Hr. Dr. Z. Mareček vom Institut für Germanistik der Masaryk-Universität eingeladen.
Nach einer kurzen Einführung in die jüngere Geschichte der Stadt und ihre soziale und wirtschaftliche Situation um die Wende vom 19. zum 20. Jh. wurde gemeinsam ein Auszug aus R. Musils berühmten Werk ‚Mann ohne Eigenschaften‘ gelesen, der sich ironisch-kritisch mit den Verhältnissen in der damaligen ‚kakanischen‘ Stadt Brünn befasst. Musil verbrachte seine Schul- und Studienzeit in Brünn (Gedenkplatte an seinem Elternhaus in der Jaselská-Straße); auch Leben und Werk anderer deutschsprachiger Schriftsteller waren eng mit der Stadt verknüpft, so z. B. Franz Schamann, Eugen Schick, Fritz Grünbaum, Ernst Weiß, u. v. a. Brünn galt wegen des hohen Anteils an Deutsch sprechenden Bewohnern auch als deutsche ‚Sprachinsel‘. Auch auf die zeitgenössische deutsch-tschechischsprachige Literaturszene wurde anhand einiger aktueller Neuerscheinungen hingewiesen.
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Um ca. 11 Uhr verließ wir die Schule und begaben uns bei Sonnenschein auf einen themenbezogenen Stadtspaziergang unter fachkundiger Führung durch den Referenten. Mit Blick auf das vorangestellte Zitat von R. Musil konnten die Schüler feststellen, dass unser Gymnasium in dem Stadtviertel Brünns liegt, das früher stark von der deutschsprachigen und jüdischen Einwohnerschaft Brünns sowie von Textilfabriken geprägt war.
Neben Informationen zu den nahe der Schule gelegenen (ehemaligen) Brünner Synagogen und zur jüdischen Gemeinde, der auch viele deutschsprachige Brünner angehörten, wurde die bedeutende Rolle der örtlichen Textilindustrie erwähnt, die der Stadt im 19. Jahrhundert die Bezeichnung ‚mährisches Manchester‘ eingebracht hatte.
Im früheren DOPZ-Gebäude, in sich dem heute das Kino ‚Skala‘ befindet, war im ehemaligen Café ‚Biber‘der kulturelle Treffpunkt der Künstler, Schriftsteller, Publizisten und Politiker aus Deutschland und Österreich, die in den Jahren 1933-1939 vor den Nazis nach Brünn ins Exil geflohen waren, so z. B. Oskar Maria Graf, Otto Bauer, Thomas Theodoer Heine, u. a. Am Moravske namesti erfuhren die Schülerinnen und Schüler schließlich noch, dass hier bis 1945 das sog. ‚Deutsche Haus‘ gestanden hatte, das ehemalige Kulturzentrum der Brünner Deutschen.
Die Schüler zeigten sich als aufmerksame Zuhörer und teilweise gut informiert über das kulturelle und politisch-zeitgeschichtliche Erbe der Stadt. Der Dank des Referenten ging an die Schüler für ihre interessierten Fragen – unser Dank gilt Herrn Dr. Mareček für seinen aufschlussreichen Vortrag über die vielfältigen Aspekte ehemaliger deutschsprachiger Kultur und Literatur in Brno/Brünn.